Im Rahmen des internationalen Frauenkampftages gingen am Samstag (11.3.) in Zürich rund 1500 Frauen* auf die Strasse. Kämpferisch, bunt und laut nahmen sich diese den Raum, um bei prächtigem Wetter inmitten des Zürcher Stadt- und Konsumzentrums ihre Stärke zu demonstrieren und zu skandieren, was es nach wie vor zu erkämpfen und zu verteidigen gilt. Konsequenterweise wurden die Behörden dafür nicht um Erlaubnis gebeten.
Die Samstagsdemo verlief ohne Zwischenfälle. Ganz im Gegensatz zur ebenso unbewilligten Frauendemonstration vom Mittwochabend (8. 3.), als ein Aufgebot der Stadtpolizei den 250 Demonstrant*innen den Meister zu zeigen versuchte. Die schiesswütige Polizei stoppte die Demo mit Gummischrot, kesselte und fichierte die Frauen während mehrerer Stunden. Der auffällig exzessive Einsatz von Pfefferspray krönte diese polizeiliche Schikane. Zürich dürfte sich damit als weltweit einzige Stadt qualifiziert haben, die am 8. März Polizei auf demonstrierende Frauen* los liess. Ähnliche Meldungen gab es bloss aus Istanbul, wo Erdogans Repressionsorgane am 7. März ebenfalls mit Gas, Gummischrot und Wasserwerfern eine nicht genehmigte Frauen*demo auflösten. Die Einschüchterungsversuche verfingen aber weder an der Limmat noch am Bosporus. Die Beteiligung an den darauffolgenden Demonstrationen war in beiden Städten nur umso grösser.
Die Beteiligung an der Frauen*demo erhöhte sich auch in diesem Jahr. Bild: Frauen*bündnis Zürich
Seit jeher ein revolutionärer Tag
Der internationale Frauenkampftag vom 8. März hat in Europa eine lange Geschichte voller Hochs und Tiefs. Ins Leben gerufen wurde der Tag dank der Initiative sozialistischer und kommunistischer Organisationen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Damals ging es mitunter um den Kampf für Gleichberechtigung, das Frauenwahlrecht und nicht zuletzt um die Emanzipation der Arbeiterinnen. Von Anfang an war der internationale Frauenkampftag also ein revolutionärer Tag gegen Patriarchat und Kapitalismus.
Plakat der Kommunistischen Partei Deutschlands zum Internationalen Frauentag 1924. Bild: Wikipedia
Später untersagten die Nazis jegliche Manifestationen zum 8. März aufgrund seiner sozialistischen Prägung und vorgeblich auch, weil es anlässlich der Demonstrationen immer wieder zu Angriffen gegen Frauen gekommen war. Stattdessen führten die Faschisten den „Muttertag“ ein und propagierten ein Frauenideal als Mutterideal. Im Untergrund lebte der 8. März jedoch weiter und wurde gefeiert als Widerstand gegen Nationalsozialismus und Kapitalismus.
In der Nachkriegszeit hatte das kleinbürgerliche Familienideal seine Hochkonjunktur und der 8. März wandelte sich von einem „Frauenkampftag“ zu einem „Frauenfeiertag“. Erst mit dem Aufkommen neuer Frauenbewegungen in den 1970er Jahren bekam der 8. März allmählich wieder die Bedeutung eines revolutionären Kampftages für internationale Frauen*solidarität. In der Schweiz gewann der 8. März im Jahr 1991 wieder an Stärke, als am legendären Frauenstreik-Tag überraschend eine halbe Million Frauen teilnahmen.
Dumme Sprüche, primitive Presseberichte
Doch bis heute müssen Frauen* den 8. März als internationalen, revolutionären und solidarischen Kampftag verteidigen. Nicht nur beginnt der nach neuen Absatzmärkten suchende Kapitalismus den 8. März für sich zu entdecken. Auch der im Rahmen der europäischen Krise erstarkende Rechtsrutsch greift viele Errungenschaften der Frauen zugunsten konservativer, nationalistischer und patriarchaler Ideale an. Solches Gedankengut zeigten in Zürich diverse wutentbrannte Passanten und Passantinnen, die mit keifenden Beleidigungen und dummen Sprüchen nicht sparten. Auch das praktisch ausnahmslos negative Medienecho, das von distanzierter Belustigung bis zur primitivsten Hetze reichte, verweist auf die Bedeutung des Feminismus und auf die Gewalt der Kräfte, die sich ihm in den Weg stellen. Passend dazu rief das diesjährige „Frauen*bündnis“, ein Zusammenschluss verschiedener ausserparlamentarischer, linker, feministischer und revolutionärer Frauenorganisationen und -zusammenhänge, unter der Parole „Frauen*, organisieren wir uns gegen Faschismus, Krieg und Patriarchat!“ zur Demo auf.
Während des Zugs durch die Innenstadt wurden ortsspezifische Reden gehalten.
Am Paradeplatz gegen das Finanzkapital als internationaler Kriegsprofiteur und für die Solidarität mit den kämpfenden Frauen in Rojava.
In der Bahnhofstrasse gegen die sexistische Objektivierung des Frauenkörpers in der Werbung, gegen die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen, gegen die zermürbende Doppelbelastung durch Beruf und Familie, gegen die Erhöhung des Rentenalters und nicht zuletzt gegen all die Magazine und Frontseiten, die mittels Bildern von bürgerlichen Managerinnen das Ende der Ungleichheit von Frauen und Männern beschwören.
In der Europaallee gegen Aufwertung.
In der Langstrasse gegen Frauenhandel, Zuhälter und Vergewaltiger. Keine Frau ist illegal.
Ihren Abschluss fand die Demonstration vor dem Bezirksgebäude, wo die baskische politische Gefangene Nekane Txapartegi eingesperrt ist. Eine Rede von Nekane wurde vorgelesen.
Besammlung am Hechtplatz. Bild: Frauen*bündnis Zürich
Im Folgenden ein paar Passagen aus den gehaltenen Reden, die wir soweit möglich in ihrem Wortlaut transkribiert haben:
„Frauenkampf heisst immer auch Kampf gegen den Kapitalismus. Eine befreite Gesellschaft ist eine Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutungsverhältnisse – ohne Kapitalismus. Wir wollen, dass jeder Mensch gleich viel wert ist. Eine Gesellschaft ohne Unterdrückung, eine Gesellschaft ohne Oben und Unten. Deshalb gehen wir auf die Strasse. Deshalb organisieren wir uns, um eine Gesellschaft ohne Patriarchat und Kriege aufzubauen.“
„Heute sind nur Frauen und andere Weiblichkeiten auf der Strasse. Das ist aber kein Zeichen, dass wir Männer hassen, sondern ein Zeichen, dass wir als Frauen noch immer in vielen Bereichen benachteiligt werden. Diese Benachteiligungen müssen wir zusammen öffentlich machen und auf die Strasse tragen. Und wir müssen als Frauen selbstbestimmt unsere Forderungen stellen und uns diesen Raum nehmen. Wir kämpfen gegen die Ungleichheit für ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben aller Geschlechter. Deshalb kämpfen wir gegen den Kapitalismus. Denn nur in einer Gesellschaft ohne Unterdrückung und Ausbeutung ist ein gleichberechtigtes Leben und ein partnerschaftliches und befreites Verhältnis zwischen allen möglich. Frauen, organisieren wir uns gegen Faschismus, Krieg und Patriarchat. Wir wollen ein schönes Leben ohne Kapitalismus.“
„Eine der zentralen Unterwerfungslogiken im Krieg ist die Entführung, die Vergewaltigung und Ermordung von Frauen. Wo Frauen im Krieg oder in wirtschaftlich schwachen Gebieten zurück gelassen werden, sind sie zuständig, unter unmöglichen Bedingungen ihre Familien durchzubringen. Rojava ist ein Beispiel, wo sich die Menschen erhoben haben, gegen den IS. Doch nicht nur das, sie wollen noch weiter gehen: Sie wollen eine neue Gesellschaft aufbauen. Und ein wichtiger Teil davon sind die Frauen. Rojava ist eine Hoffnung. Rojava zeigt, dass es unter schwierigen Bedingungen möglich ist, etwas Neues aufzubauen: eine solidarische Gesellschaft, an der alle teilnehmen. Eine Gesellschaft, die dafür einsteht, die bestehende zu kritisieren und Schritt für Schritt zu verändern. Rojava ist unsere Perspektive.“
„Auch wenn wir durch unseren Kampf auf rechtlicher Eben einige Gesetze durchbringen konnten, so ist es uns bis heute nicht möglich, die gesellschaftliche Gleichbehandlung und die Umsetzung dieser Rechte in der Gesellschaft zu erlangen. Auch sind wir täglich mit gesellschaftlichen Barrieren konfrontiert. Als eine Folge der gesellschaftlichen Ungleichheit der Geschlechter wird unsere Arbeitskraft ignoriert und als billige Ersatzarbeitskraft angesehen. Aufgrund von flexiblen Arbeitszeiten und Leiharbeit arbeitet ein Grossteil von uns ohne jegliche Versicherung in prekären Arbeitsverhältnissen. Überall in Europa wird unsere Gebärfähigkeit als Grund herangezogen, um nicht eingestellt oder entlassen zu werden. In England enthält jede 8. Klage gegen einen Arbeitgeber den Vorwurf aufgrund möglicher Schwangerschaft entlassen worden zu sein.“
„Laut den Angaben der internationalen Arbeitsorganisation betrug die ungleiche Bezahlung in den Ländern der EU bei gleicher Qualifizierung und gleicher Arbeit im Schnitt bei 18 %. Die Zahl der Frauen steigt, die trotz Arbeit in Armutsverhältnissen leben müssen. All diese ökonomischen Benachteiligungen erhöhen unsere Abhängigkeit vom Mann. Gleichzeitig sind wir immer mehr Gewalt ausgesetzt. Während diese Umstände durch sexistische Gesetzgebung befördert werden. Der erstarkende Rechtsruck in Europa trifft uns Frauen und unsere Kinder am schlimmsten. Wir gehen auf die Strassen, um unsere Leben zu verteidigen. jin jiyan azadi (Kurdisch: „Frauen, Leben, Freiheit“!)“
„Im Kapitalismus gibt es viel Gratisarbeit. Der Abbau und die Privatisierung im öffentlichen Dienst, im Care-Service, in der Bildung und in den Horten. Dieser Abbau zeigt klar, wie weiblich zugeordnete Arbeit abgewertet wird. Und doch sind es aber die wichtigsten Bereiche unseres Lebens. Doch Reproduktionsarbeit hat im Kapital keinen Wert. Doch wir haben es satt, dass Kinder eine Armutsfalle sind. Wir haben es satt, dass wir unter der Doppelbelastung zwischen Haushalt und Beruf leiden. Wir haben es satt, dass wir immer noch weniger verdienen. Wir sind es leid, für die Haus und Familienarbeiten hauptverantwortlich zu sein. Wir haben es satt in der Werbung und den Medien als Sexobjekte entwürdigt zu werden. Wir hassen Frauenhändler; Zuhälter und Vergewaltiger. Wir kämpfen gegen kapitalistische Ausbeutung. Wir kämpfen für eine klassenlose und emanzipierte Gesellschaft!“