In Basel demonstrierten am Samstag, 3. Februar 5000 Personen bewilligt und durchwegs gewaltfrei gegen die kriegerische Diktatur in der Türkei. Dass sich der mehrheitlich kurdischen Demonstration auch Schweizer Solidarische ohne kurdische oder türkische Wurzeln anschliessen würden, wollten die Basler Behörden offenbar um jeden Preis verhindern: Schwerbewaffnete und vermummte Polizeigrenadiere kontrollierten, beschlagnahmten und verhafteten mit einer Willkür von ungekanntem Ausmass. Umsonst: Die Solidarität der Demonstrant*innen kannte keine Nationalitäten.
Schon seit langem war sie angekündet, die Basler Demonstration «Kampf der Diktatur in der Türkei. Solidarität mit dem Widerstand» – mit Besammlung um 14 Uhr auf dem Claraplatz. Doch die Polizei bewilligte schliesslich bloss die nahegelegene Claramatte als Besammlungsort und zwar um 13 Uhr, nicht um 14 Uhr. Dieses listige Behördenmanöver führte dazu, dass jede Ansammlung auf dem Claraplatz als unrechtmässig eingestuft wurde. Dort eintreffende Leute mussten sich Kontrollen unterziehen und fotografisch erfassen lassen. Zwei Personen verhaftete die Polizei direkt am Claraplatz.
Diese Schikanen waren insbesondere gegen nicht-kurdische solidarische Unterstützer*innen gerichtet. Alle, die in den Augen der Polizei nicht wie «Kurd*innen» aussahen, liefen Gefahr verfolgt und verhaftet zu werden. Mehrere Demonstrant*innen berichteten, dass Polizeibeamte ihnen gesagt hätten, diese Demo sei «nicht für Schweizer» und dass nur «die Kurden» eine Bewilligung hätten. Bereits im Vorfeld der Demonstration betraten vermummte Polizeieinheiten ohne Durchsuchungsbefehl eine private Räumlichkeit des Revolutionären Aufbau Basel. Drei Personen, die dort mit Demovorbereitungen beschäftigt waren, wurden präventiv verhaftet, ein Transparent beschlagnahmt. Den übrigen, die nicht direkt abgeführt wurden, gab die Polizei ein Versprechen mit: «Falls ihr es heute wagt, an der Demonstration teilzunehmen, werden wir euch separieren und verhaften.» So schildert es ein Augenzeuge.
Spaltungsversuch in «Kurden» und «Schweizer»
Kaum hatte sich die Demonstration ein paar Meter fortbewegt, machten sich vermummte Polizeigrenadiere mit Gummischrotgewehren tatsächlich daran, ihre Drohung wahrzumachen. Schnurstracks stürmten sie auf jenen Teil der Demonstration, an dem zufällig am meisten «Nicht-Kurden» liefen und versuchten dort, den Demonstrant*innen ein Transparent zu entreissen. Die Polizist*innen stiessen allerdings auf Widerstand – auf im besten Sinne vereinten Widerstand. Frauen, Kinder, Männer, kurdische und schweizerische, alle erhoben sich zu einem lauten Gebrüll gegen die aggressiven Staatsbüttel und zeigten, dass sie sich so einfach nicht spalten lassen. Ganz offensichtlich vermochte diese kraftvolle Reaktion den Polizeitrupp nachhaltig zu verwirren. Mit der Situation überfordert und nicht recht wissend, was nun die Order sei, zog er sich unter peinigendem Gejohle wieder zurück.
Schwarz vermummt und gewaltorientiert. Baschi Dürrs Mannen schwingen den Knüppel.
Die Angriffe waren damit aber nicht zu Ende. Mindestens eine Person, eine bekannte Schweizer Linksradikale, wurde aus der laufenden Demonstration herausgezerrt und abgeführt. Und noch an der Schlusskundgebung auf dem Barfüsserplatz wurden Leute abgeführt. Diverse abreisende Kundgebungsteilnehmer*innen wiederum mussten sich kontrollieren lassen. Verdachtsmoment: «gewalttätiger Demonstrant». Genoss*innen aus Basel berichteten von mindestens 15 Verhaftungen, wobei mittlerweile alle wieder auf freiem Fuss seien.
Immer wieder provoziert die Polizei. Eine Eskalation scheint geradezu gewollt.
Das Ziel dieser Polizeischikanen war glasklar: die Verhinderung eines solidarischen Zusammengehens von Schweizer*innen einerseits und Kurd*innen und Türk*innen andererseits. Jene, die ihre Angehörigen im schmutzigen Krieg zu verlieren fürchten, sollen isoliert bleiben. Wo kämen wir denn hin, wenn sich plötzlich alles vereinigen und wie die kurdische Community wöchentlich, ja manchmal täglich demonstrieren würde? Nein, der nützliche Partner Erdogan, der gute Waffenkunde und Flüchtlingszurückhalter, schliesslich das NATO-Mitglied Türkei, sollen lieber nicht zu arg verstimmt werden.
Aufstand statt Apathie!
Am 19. Januar eröffnete das türkische Militär im Verbund mit islamistischen Milizen einen mörderischen Feldzug gegen Afrin. Unzählige Zivilist*innen und Freiheitskämpfer*innen sind den Bomben des NATO-Mitglieds, dem Beschuss aus deutschen Panzern zum Opfer gefallen. Aber mit dem Beginn der «Operation Olivenzweig» erhoben sich die Kurd*innen überall in Massen. Auch in der Schweiz, wo es innert zwanzig Tagen an allen grösseren Orten zu Kundgebungen und teils riesigen Demonstrationen kam. In Zürich etwa nahmen sich 15’000 Personen – Kurd*innen und Schweizer*innen – die Strasse. Sie fordern seither unablässig ein unverzügliches Ende des Schweigens und eine Verurteilung dieses völkerrechtswidrigen Angriffs der Türkei.
Doch die grosse Mehrheit der hiesgen Empörten kümmert sich verbissen und mit berauschender Hingabe um «No-Billag» (übrigens eine Gebühr für Medien, die mehrheitlich kaum über den Krieg in Afrin und fast gar nicht über die Anti-Kriegs-Proteste berichten), dass alles andere nichtig erscheint.
Endlich aber schwindet diese Bequemlichkeit zusehends. Die Proteste gegen Erdogan und seinen Krieg verbreitern sich. Sicher noch zu wenige, aber immer mehr Leute fragen, was sie tun können, erkennen die Notwendigkeit aufzustehen. Und sie leisten dort Widerstand, wo sie leben. Dass dies keine Obrigkeit gutheissen kann, versteht sich, und so ist es nur konsequent, die Schweizer Linken zu jagen. Sie nämlich hätten das Potential, die Proteste der kurdischen Genoss*innen in weitere Kreise zu tragen.
Staatsgefährdende Elemente: Drei Schweizer*innen die internationale Solidarität praktizierend.
Weitere Bilder der Demonstration:
Sämtliche Bilder: ajour magazin.