Seit einigen Jahren versuchen hierzulande Basisgewerkschaften wie die FAU, die IWW oder die IGA langsam, aber konstant der sozialpartnerschaftlichen Ausrichtung der traditionellen Gewerkschaften eine kämpferische und antikapitalistische Perspektive entgegenzusetzen. Ein Vorbild dafür findet sich in Italien: Während die traditionellen Gewerkschaften immer mehr Mitglieder verlieren baut die Basisgewerkschaft S.I. Cobas ihre Verankerung, insbesondere unter den migrantischen Arbeiter:innen, stetig aus. Mit regelmässigen Streiks und kämpferische Aktionen sorgen sie seit Jahren für Aufsehen. Wir sprachen mit Martino, Mitglied der nationalen Koordination des S.I. Cobas, über die Lage der arbeitenden Klasse in Italien, strategische Differenzen und Konflikte mit den Organisationen der alten Linken und Kämpfe gegen die Spaltung der Arbeiter:innen in der Pandemie.
Ajour: Martino, wie sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter:innen in Italien?
Martino: Der soziale Zerfall in Italien ist beträchtlich! Die Zahl der Working Poor ist seit den 1990er Jahren um fast zehn Prozent gestiegen. Die Löhne sind in der gleichen Zeitspanne um drei Prozent gesunken, während sie in allen europäischen Ländern stiegen. Gleichzeitig wird über erleichterte Entlassungen, Kürzungen des sogenannten Bürgereinkommens und die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, wie auch über Steuersenkungen für Arbeitgebende und eine Erhöhung das Rentenalters diskutiert.
Dagegen hat sich der S.I. Cobas als eine wichtige Kraft innerhalb der klassenkämpferischen Bewegung entwickelt. Wann wurde S.I. Cobas gegründet und könnt ihr uns was über eure Stärke erzählen?
Der «Sindicato Intercategoriale Cobas» [deutsch: Interprofessionelle Basisgewerkschaft] entwickelte sich 2008 aus den Kämpfen in der Logistik und versucht heute über die Logistikbranche hinaus, an Einfluss zu gewinnen. Wir können heute sagen, dass wir, nach fast 13 Jahren mit verschiedenen Kämpfen und Streiks, eine Massendimension entwickelt haben. Zehntausende Arbeiter:innen organisieren sich in unseren Sektionen. Wir sind in über zwanzig italienischen Städten präsent. Nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Regierung mussten zur Kenntnis nehmen, dass der S.I. Cobas im Logistiksektor ein zentraler Player ist. Unsere Basisgewerkschaft ist zudem Bezugspunkt für viele Arbeiter:innen und eine Referenz für Millionen von Proletarier:innen.
Warum seid ihr hauptsächlich im Logistiksektor tätig?
Der Logistiksektor war zuvor jahrelang den Bossen und oft auch der organisierten Kriminalität ausgeliefert. Gleichzeitig war der Logistiksektor während der letzten 15 Jahre bei weitem der kämpferischste Sektor der hiesigen Arbeiter:innenklasse. Unsere Genoss:innen haben das Kampfpotenzial der Logistik-Arbeiter:innen erkannt und es gelang ihnen, eine Organisierung auszubauen. Auf diese Weise wurde die seit Jahren herrschende Überausbeutung, die Niedriglöhne und die illegale Anstellung unterbezahlter Arbeitskräfte grundlegend in Frage gestellt. Ermöglicht wurde dies durch radikale Auseinandersetzungen in einzelnen Betrieben selbst, aber auch dadurch, dass die Arbeitskämpfe eine firmenübegreifende Dimension annahmen. Schliesslich führten die Kämpfe zur Unterzeichnung mehrerer nationaler Vereinbarungen mit Fedit, dem wichtigsten Arbeitgeberverband der Logistikbranche. Unterdessen sind wir bei den wichtigsten Logistik-Firmen wie beispielsweise bei BRT, FedEx, SDA oder GLS die stärkste gewerkschaftliche Kraft.
Welche Verbesserungen habt ihr erreicht?
Durch unsere gestärkte Verhandlungsmacht konnten wir in den Logistikzentren einen Gesamtarbeitsvertrag und erhebliche Lohnerhöhungen durchsetzen. Mit BRT wurde beispielsweise bis 2024 eine Leistungsprämie vereinbart, dank derer die Arbeiter:innen quasi einen fünfzehnten Monatslohn erhalten. Neu werden die Gehälter nach Dienstalter und nicht nach Aufgabenbereich gestaffelt. Zudem gibt es in der Logistikbranche jetzt Auffangmechanismen im Falle von Invalidität. Und sehr wichtig: Wir erkämpften das Versammlungsrecht, das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung sowie das Recht Delegierte und Sicherheitsbeauftragte zu wählen.
Doch wichtiger ist, dass die Arbeiter:innen durch die S.I. Cobas ihre Würde am Arbeitsplatz wiedererlangt haben. Das wird an unseren Versammlungen von verschiedenen Arbeiter:innen immer wieder betont. Konkret bedeutet das, dass unabhängig von den finanziellen Verbesserungen für die Arbeiter:innen, sie die Erfahrung machen, dass sie sich durch kollektive Organisierung am Arbeitsplatz durchsetzen können, die Macht der Chef:innen brechen und der individuellen Erpressung Einhalt gebieten können. Dabei erkennen sie auch, dass die Arbeiter:innen einen Einfluss auf die Organisation der Arbeit, vor allem auf die Arbeitsbelastung und den Arbeitsrhythmus, haben.
Wie ist es euch gelungen, die Angst zu überwinden, die normalerweise viele Arbeiter:innen lähmt?
Durch die Propaganda der Tat. Wir sind ein praktisches Beispiel dafür, dass man sich organisieren, kämpfen und auch gewinnen kann. Das ist fundamental. Hinzu kommt die Mund-zu-Mund-Propaganda unserer Erfolge in verschiedenen Communities, wie auch die mediale Vebreitung unserer Kämpfe in der Logistikbranche. Der erste Schritt zur Überwindung der Angst besteht darin, sich nicht allein zu fühlen. Darum war die gegenseitige Unterstützung von Arbeiter:innen aus unterschiedlichen Fabriken und Lagerhäusern so wichtig. Dies ermöglicht, Vertrauen aufzubauen und die «Angst zu überwinden», wie es viele Arbeiter:innen formulieren und wie wir auch in einem unserer Dokumentarfilme betonen.
Wenn sich Arbeiter:innen organisieren und wehren, haben sie immer auch mit Repression seitens der Bosse und des Staates zu kämpfen. Wie ist das bei euch?
Die Regierung versucht jegliche Kraft, die sich ausserhalb der traditionellen Gewerkschaften (CGIL, CISL und UIL) bewegt, im Keim zu ersticken. Die zahlreichen Demonstrationen und Streiks im letzten Jahr verstärkten diese Tendenz. Hunderte Arbeiter:innen wurden angezeigt und militante Gewerkschaftsmitglieder ins Visier genommen. Die Regierung hat zahlreiche präventive Massnahmen ergriffen: Wegweisungen, Rayonverbote, Geldstrafen, und mündliche Verwarnungen (die Vorstufe zur Sonderüberwachung). Natürlich kommt es auch zu Verhaftungen. Ende 2020 wurden beispielsweise in Piacenza zwei Genossen verhaftet, die in die Kämpfe der FedEx-Arbeiter:innen involviert waren. Genoss:innen der Arbeitslosen-Bewegung «7. November» aus Neapel haben sogar ein Verfahren wegen «Bildung einer krimineller Vereinigung» am Hals.
Das sind Versuche, die kämpferische Bewegung zu brechen und ihre politische Basis zu delegitimieren. Neben der staatlichen Repression ist auch eine deutliche Zunahme «außergesetzlicher» Angriffe zu beobachten. Bei Fedex in Peschiera Borromeo und S. Giuliano gab es während der monatelangen Blockaden und Streikposten immer wieder Angriffe von Streikbrechertrupps und Wachpersonal von privaten Sicherheitsfirmen. Dabei wurden Arbeiter:innen verletzt oder sogar getötet: In Biandrate wurde im Juni 2021 Adil Belakhdim vor den Toren eines Lidl-Lagerhauses von einem Streikbrecher überfahren und getötet.
Aufgrund dieser verstärkten Repression denken wir, dass es wichtig wäre eine städteübergreifende und zentralisierte Verteidigungsstrategie zu entwickeln, die über S.I. Cobas hinausgeht und die Arbeiter:innen schützen kann. Es gab verschiedene versuche Netzwerke zu stärken, die die Basis solch einer Verteidigungsstrategie bilden könnte, z. B. der nationale Logistikstreik vom 18. Juni 2021, dem sich auch die Basisgewerkschaften USB und Adl Cobas anschlossen oder der Generalstreik der kämpferischen Basisgewerkschaften vom 11. Oktober 2021. Das sind allesamt ermutigende Aktionen, die jedoch, angesichts der massiven Repression, noch unzureichend sind.
Im S.I. Cobas organisieren sich viele migrantische Arbeiter:innen. Welche Rolle spielen sie in euren Kämpfen?
Die ganze Geschichte des S.I. Cobas war von Beginn an eng mit der Stärke des migrantischen Proletariats verflochten. So waren migrantische Logistiker:innen die Hauptakteur:innen der ersten Streiks im Jahr 2008 bei Bennet in der Lombardei. Zu jener Zeit zeichnete sich der Logistiksektor in Italien durch eine geringe organische Zusammensetzung des Kapitals aus. Es wurden wenige technologische Mittel eingesetzt, es gab viele Arbeitskräfte und tiefe Löhne. All dies wurde durch den Einsatz von Subunternehmen und Outsourcing ermöglicht. Als 2008 die weltweite Finanzkrise ausbrach entwickelten sich im Logistiksektor einer der bedeutendsten Kampfzyklen der letzten Jahre. Daraus resultierten beträchtliche Lohnerhöhungen und eine allgemeine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter:innen. Die Bosse versuchen seither, die Macht der Arbeiter:innen zu schwächen. Seither ist eine «Amazonisierung» des Logistiksektors auszumachen: vermehrter Einsatz technologischer Mittel im Arbeitsablauf, Standardisierung der Produktion, erhöhter Einsatz hausinterner Arbeitskräfte, gewerkschaftsfeindliche Betriebspolitik und so weiter.
Was ist eure strategische Überlegung bezüglich der Organisierung migrantischer Arbeiter:innen?
Es entsteht momentan auf globaler Ebene eine neue, junge, multiethnische Arbeiter:innenbewegung, die im Zuge der Entwicklung des Klassenkampfes auf neue Organisationen, Strukturen und Praxen angewiesen sein wird. Sie wird nicht nur Hauptakteur:in dieser Kämpfe sein, sondern auch einen Bruch mit der alten Arbeiter:innenbewegung vollziehen – insbesondere mit den traditionellen Organisationen. Viele Migrant:innen sind aufgrund ihrer Herkunft oder aufgrund ihrer sozialen und politischen Erfahrungen weniger anfällig für die Ideologie, das Narrativ und die Praxen, durch die der Opportunismus und der Reformismus in Italien die kämpferischsten proletarischen Sektoren gezähmt hat. Migrantische Arbeiter:innen kennen die Gewerkschaftsverbände oder auch die reformistischen politischen Parteien oft nur aus der heutigen Perspektive, also ohne einen langen und komplexen Prozess der Desillusionierung und des Bruchs mit diesen Organisationen, die früher, insbesondere in den trade-unionistischen Kampfzyklen der 1970er Jahren, noch einige Erfolge verbuchen konnten. Die zunehmende internationale Zusammensetzung des italienischen Proletariats erleichtert also sowohl auf ideologischer, als auch auf materieller Ebene bestimmte politische und organisatorische Brüche mit den alten Strukturen der Arbeiter:innenbewegung.
Was unterscheidet denn der S.I. Cobas von den traditionellen Organisationen der Arbeiter:innenbewegung?
Bereits in den 1930er Jahren haben Teile der internationalen revolutionären Bewegung über die Integration der damaligen Gewerkschaften in den Staat gesprochen. Ich glaube, dass dieser Prozess heute seinen Höhepunkt erreicht hat. Wir haben es mittlerweile mit Organisationen zu tun, die vollständig in die staatliche Maschinerie integriert sind und zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ausbeutung beitragen, selbst wenn sie zaghaft versuchen, in einigen Sektoren Verbesserungen für die Arbeiter:innen zu erreichen. Diese Organisationen sind für eine kohärente und kämpferische Verteidigung der Interessen der Arbeiter:innen unbrauchbar geworden. Ihr kontinuierlicher Mitgliederschwund hat mehrere Gründe. Unter anderem sind die grossen Gewerkschaften unfähig, in der neu zusammengesetzten und hyperausgebeuteten Arbeiter:innenklasse zu intervenieren. Dies ist das Ergebnis einer anhaltenden regressiven Tendenz der Unterordnung unter die nationalen kapitalistischen Interessen, des Ausverkaufs der nationalen Tarifverhandlungen, der Komplizenschaft bei der Einschränkung des Streikrechts und der offenen Kollaboration bei der Unterdrückung von Kämpfen. Diese Entwicklungen sind seit Jahrzehnten zu beobachten und auch die magere Opposition einiger Genoss:innen innerhalb der Gewerkschaftsverbände vermag daran nichts zu ändern.
Es tut sich ein unüberbrückbarer Abgrund zwischen zwei verschiedenen Perspektiven auf: Auf der einen Seite stehen die traditionellen Organisationen der Arbeiter:innenbewegung, die mittlerweile nichts anderes als der linke Flügel des Kapitals sind. Auf der anderen Seite stehen all diejenigen Arbeiter:innen, die – auf nationaler wie auch internationaler Ebene – den Klassenkampf neu lancieren wollen. Das bedeutet nicht, dass die traditionellen Organisationen vollkommen bedeutungslos sind. Aber es ist wichtig zu verstehen, in welche Richtung sich der Klassenkampf entwickelt und welche Notwendigkeiten daraus entstehen.
Gehen die traditionellen Gewerkschaften aktiv gegen den S.I Cobas vor?
Leider ja, gerade auch im Logistiksektor. Dabei handelt es sich nicht nur um Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Organisationen und deren strategische Ausrichtung. Die bürokratischen Gewerkschaftsverbände arbeiten mittlerweile offen mit den Arbeitgebern, der Regierung, der Polizei und den Präfekturen zusammen. Sie wollen jegliche autonome Praxis der Arbeiter:innen im Keim ersticken. Dazu werden Streikbrecher:innen eingesetzt, staatliche Repression unterstützt und physische Aggressionen gefördert.
Beim S.I. Cobas werden Basisdemokratie und Selbstorganisation der Arbeiter:innen gross geschrieben. Wie bekämpft ihr autoritäre und bürokratische Tendenzen innerhalb eurer Organisation?
Bürokratisierung droht jeder Organisation, die wächst. Deshalb ist es wichtig, dass die Arbeiter:innen selbst die Protagonist:innen des S.I. Cobas und der Arbeitskämpfe sind. Unsere konkreten Mittel gegen die Erstarrung der Gewerkschaft sind branchenübergreifende Kämpfe, die zentrale Rolle der Basiskomitees, eine dialektische Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie, das Rotieren der Posten und die Entwicklung einer politischen Debatte innerhalb der gesamten Organisation. Unsere Gewerkschaft wird nicht so geführt, als ob sie ein Unternehmen sei.
Inwiefern seid ihr eine revolutionäre, antikapitalistische Organisation?
Wir stellen den antikapitalistischen Charakter unserer Strategie ins Zentrum unseres Handelns. Wir erwähnen ihn nicht nur in politischen Texten oder an Kongressen, sondern er ist der Leitfaden unserer Kämpfe. Dies ist in Italien einzigartig und genau deshalb sind wir eine wirkliche Alternative zu allen reformistischen Tendenzen, neokeynesianischen Illusionen oder Schwärmereien über die «nationale Souveränität», die immer noch einen großen Teil der Basisgewerkschaften in Italien prägen und beeinflussen.
Diese unterschiedlichen politischen Perspektiven der verschiedenen Basisgewerkschaften haben einen Einfluss auf ihre jeweiligen Kampfformen. Hierzulande kam es durch die Wiederentdeckung von Blockaden und Streikposten als Kampfformen zu einem qualitativen Sprung – vor allem in der Logistik. Aber auch die Arbeitslosenbewegung «7. November» oder die Streiks der Arbeiter:innen in der toskanischen Textilstadt Prato sind Ausdruck davon. Die Zusammenarbeit mit anderen Basisgewerkschaften ist uns wichtig, wie der Generalstreik der Basisgewerkschaften vom 11. Oktober 2021 deutlich gezeigt hat. Dabei muss die Entwicklung konkreter Kämpfe und der Zusammenhalt der Arbeiter:innen im Mittelpunkt stehen – und nicht die starre Programmatik oder gewerkschaftsübergreifenden Abkommen zwischen Funktionär:innen.
Der S.I. Cobas hat sich mit vehement gegen den Covid-Impfnachweis, den sogenannten Green Pass, gewehrt. Was waren die Beweggründe dafür?
Die Covid-Impfung ist ein zwar unvollkommenes, aber unersetzbar wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Pandemie. Der Green Pass hingegen ist keine wirksame gesundheitliche Massnahme, sondern er bedient einzig und allein die Interessen der Regierung und der Arbeitgeber:innen, die um jeden Preis die Produktion und den Konsum aufrechterhalten wollen. Hinzu kommt, dass durch den Green Pass alle erkämpften Gesundheitsschutzmassnahmen umgangen werden konnten. Wir fanden es zudem inakzeptabel, dass nicht geimpfte Personen keinen Lohn und ein Arbeitsverbot erhielten. Wir haben versucht, all diese Themen aufzugreifen, um zu verhindern, dass geimpfte Arbeiter:innen gegen ungeimpfte ausgespielt werden. Denn der Kampf für eine gute Gesundheitsversorgung setzt voraus, dass die Arbeiter:innen gegen die Chef:innen zusammenhalten. In einigen Unternehmen in Mailand, Neapel und Piacenza ist es uns gelungen, gegen die Suspendierung von Personen ohne Green Pass zu streiken. Wir konnten auch geimpfte Arbeiter:innen dafür mobilisieren.
Wie wirkte sich die Pandemie auf die sozialen Kämpfe in Italien aus?
Durch den ersten Lockdown wurden viele Kämpfe gebremst. Wir hingegen propagierten von Beginn an den Grundsatz «Wenn ich arbeiten kann, kann ich auch kämpfen». Wir waren die einzige Organisation, die sich mitten im Lockdown für eine komplette Arbeitsniederlegung (und nicht nur ein paar Stunden Streik) aussprach, um die sofortige Einführung aller möglichen Gesundheitsschutzmassnahmen am Arbeitsplatz zu erzwingen. Des Weiteren forderten wir die vorübergehende Stilllegung aller nicht relevanten Arbeitssektoren bei vollem Lohnausgleich. Tausende von Arbeiter:innen – in der Logistik und anderswo – reagierten darauf mit wochenlangen Mobilisierungen, die das einzige Mittel waren, um die Militarisierung des politischen und gewerkschaftlichen Lebens während der Pandemie zu stoppen. Die kapitalistische Verwaltung der Pandemie – allen voran der Arbeitgeberverbände – bestand darin, die Produktion um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Ansteckungen und der Tod von Menschen wurden dabei in Kauf genommen.
Was sind eure Pläne für die nahe Zukunft?
Wir sind dabei, schrittweise auch in anderen Sektoren Fuss zu fassen. Vor allem in der Metall- und Maschinenbauindustrie, in der Lebensmittel-, Keramik- und Textilindustrie, aber auch in der Tourismus- und Hotelbranche. Seit der Covid-Gesundheitskrise sind wir auch in Kontakt mit kämpferischen Arbeiter:innen des privaten Gesundheitswesens. Diese Kontakte reihen sich ein in unsere zwar noch kleine, aber bedeutende Präsenz im öffentlichen Gesundheitswesen und im öffentlichen Sektor im Allgemeinen. Die Ausweitung unseres Einflusses steht dem Mitgliederschwund der traditionellen Gewerkschaften gegenüber. Im Hinblick auf den Aufbau einer Klassengewerkschaft hat der S.I. Cobas darum einen zentralen Stellenwert. Wir wollen den Klassenkampf weiter voranbringen!
Danke an Ada Amhang und an Jean Valliere für die Unterstützung beim Interview.