Die International Labour Organisation (ILO) rechnet mit der schlimmsten globalen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. «Egal wo auf der Welt oder in welchem Sektor, die Krise hat dramatische Auswirkungen auf die Arbeitskräfte», heisst es in einem aktuellen Report.
«Es wird erwartet, dass die Covid-19-Krise im zweiten Quartal 2020 weltweit 6,7 Prozent der Arbeitsstunden auslöschen wird – das entspricht 230 Millionen Vollzeitbeschäftigten», schreibt die UNO-Sonderorganisation.
Für das gesamte Jahr 2020 macht die ILO noch keine konkrete Prognose, schreibt aber, dass es ein hohes Risiko gebe, dass die ursprüngliche Vorhersage von 25 Millionen Vollzeitstellen deutlich zu tief sein könnte.
Ende 2009 hatten in Folge der Finanzkrise 34 Millionen Menschen ihre Stelle verloren, schrieb die ILO 2010 in einem Bericht. Die Zahl ist mit der nun genannten aber nicht vergleichbar. Die neue Zahl beschreibt den Verlust von Arbeitsstunden in Vollzeitäquivalenten (à 40 Wochenstunden) und dürfte darum tiefer liegen.
Rund 1,25 Milliarden – fast 40 Prozent der Arbeiterinnen weltweit – arbeiten in Sektoren, in denen mit einer «drastischen und verheerenden» Erhöhung von Entlassungen sowie Kürzungen der Löhne und der Arbeitszeit gerechnet werden müsse, so die ILO.
Allein für Indien rechnet die Organisation mit 400 Millionen informell arbeitenden Menschen, die während der Krise noch tiefer in die Armut abzurutschen drohen. Sprich: Noch viel mehr Menschen als bis anhin werden an Hunger leiden.
In Europa sollen im 2. Quartal 2020 die Arbeitsstunden von 12 Millionen Vollzeitbeschäftigten wegfallen. Zum Gesamtjahr macht die ILO keine Angaben. Zwischen der Finanzkrise 2008 und 2015 gingen in der Euro-Zone 3,8 Millionen Arbeitsplätze verloren. Wir erinnern uns: Griechenland zählte zwischenzeitlich 28 Prozent Arbeitslose, Spanien um die 20 Prozent.
Die Stellenverluste werden natürlich nicht gleichmässig unter die nationalen Standorte verteilt. Das Hauen und Stechen der Nationalstaaten und die Konkurrenz auf den Arbeitsmärkten dürften sich damit nochmals zuspitzen.
In den USA gab es einen Vorgeschmack auf die Katastrophe: Etwas weniger als 3,5 Millionen Menschen hatten sich innert einer Woche zum ersten Mal als arbeitslos gemeldet. In den beiden folgenden Wochen meldeten über 13 Millionen Menschen an. Das ist historisch beispiellos.
Wer die Arbeitslosenversicherungen und die oft an den Arbeitplatz gekoppelte Gesundheitsversicherung in den USA kennt, sieht das schiere Elend hinter diesen Zahl. Aus dem ganzen Land gibt es Bilder, welche das immense Ausmass derjenigen Menschen sichtbar macht, die auf Unterstützung angewiesen sind. In Pittsburgh warteten beispielsweise hunderte von Menschen in ihren Autos auf die Öffnung einer Tafel, die gratis Lebensmittel ausgibt.
In der Schweiz wurde laut Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bis zum 5. April 2020 von mehr als 118’000 Unternehmen mit rund 1,34 Millionen Beschäftigten Kurzarbeit beantragt. Das entspricht 26 Prozent der 5,1 Millionen Arbeitenden.
Das Seco hat zwei Negativszenarien gezeichnet: Im milderen Szenario schrumpft das BIP um 7 Prozent, die Arbeitslosenquote steigt auf 4 Prozent. Im schlechteren Falle ginge das BIP um 10 Prozent zurück, die Arbeitslosenquote würde 2021 bis 6 Prozent ansteigen.
Was rätselhaft bleibt: Nach dem Finanzcrash schrumpfte das Schweizer BIP 2009 gerade mal um 1,6 Pozent. Die Arbeitslosenquote betrug gegen Ende 2009 dennoch 4,4 Prozent. Eine deutlich leichtere Rezession hatte also mehr Arbeitslose zur Folge als in der milderen Variante des Seco prognostiziert wird.
Staaten und Zentralbanken feuern seit Wochen aus allen Rohren, um noch Schlimmeres zu verhindern. Erst die Zeit wird zeigen, ob die Pandemie und die Massnahmen nun der Trigger waren, der die grosse Entwertung und die gigantische Katastrophe in Gang setzt. Oder ob die Billionen das Ganze nochmals aufschieben.