Am 11. Februar 2023 findet in Basel eine Demonstration der revolutionären Klimabewegung statt. Ajour hat mit Leuten vom Klimakollektiv «Jetzt Kämpfen» gesprochen, welches die Demo organisiert.
Ajour: Ihr ruft für den 11. Februar 2023 zu einer revolutionären Klimademonstration in Basel auf. Wie sah eure Mobilisierung aus? Was erwartet ihr von dieser Demo und wie reiht sie sich in eure bisherige politische Praxis ein?
Timo: Die Demonstration ist der Höhepunkt einer Kampagne, die schon seit längerem läuft. Wir haben vor knapp einem Jahr das revolutionäre Klimakollektiv gegründet, um eine revolutionäre Position in der Klimabewegung zu entwickeln und sichtbar zu machen. Zunächst haben wir uns jeweils den Klimastreiks angeschlossen, nun ist das unsere erste grössere Mobilisierung. Wir sind sehr gespannt.
Du sagst, die Demonstration ist der Höhepunkt einer längeren Kampagne. Was habt ihr da gemacht?
Timo: Mit der Kampagne haben wir auch versucht, die Vernetzung unter den ausserparlamentarischen Klimakräfte zu stärken. In Basel haben wir uns bemüht die Kampagne möglichst offen zu gestalten, um anschlussfähig für interessierte Menschen zu sein. Auch haben wir in verschiedenen Städten in der Schweiz Veranstaltungen gemacht und waren an Vernetzungstreffen in Deutschland.
Lua: Wir haben einige inhaltliche Veranstaltungen zu verschiedenen Themen gemacht. Anfangs Februar kommen beispielsweise Genossinnen aus den Philippinen und erzählen über ihren Kampf gegen die Auswirkungen der Klimakrise. Auch haben wir viele Konzerne durchleuchtet, die in Basel ansässig sind. Sie versuchen ein grünes Image zu pflegen, aber sind weltweit verantwortlich für Ausbeutung und Zerstörung der Natur.
Die Konzerne stehen im Mittelpunkt eurer Kampagne. Das Motto lautet «Die Klimakrise ist jetzt! Die Verantwortlichen sind hier!» Wer sind diese Verantwortlichen?
Natürlich liegt das Augenmerk auf dem Bankenplatz und den internationalen Konzernen. Sie haben hier vielleicht nur ihre schicken Bürotürme, aber an anderen Orten auf der Welt, vor allem im globalen Süden, verursacht ihr Handeln unglaubliches Leid. Und darauf basieren ihre Milliardenprofite. Das sind die Verantwortlichen, aber gleichzeitig müssen wir uns auch klarmachen, dass dahinter ein System steht. Wenn ein Konzern damit aufhören würde, wäre schon morgen der nächste zur Stelle und würde weitermachen. Gegen diese Konzerne und ihr Treiben gibt es weltweit Widerstand. Uns ist es wichtig, diesen sichtbar zu machen und zu überlegen, wie ein Widerstand hier aussehen könnte.
Und wie könnte der Widerstand gegen diese Konzerne in der Schweiz aussehen?
Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Auf jeden Fall wollen wir ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit schaffen. Dabei geht es aber nicht nur um die Kritik an diesen Konzernen als Verantwortliche der Klimakrise, sondern auch darum zu zeigen, dass es sich um ein Systemproblem handelt. Und dann ist unsere Strategie grundsätzlich, den Widerstand von unten aufzubauen. Da wollen wir längerfristig schon auch versuchen mit den Angestellten dieser Konzerne zusammen zu arbeiten – zumindest mit denen, die nicht direkt davon profitieren.
Der Bewegung rund um den Klimastreik war es immer ein Anliegen, politisch möglichst breit und anschlussfähig zu sein. «Jetzt Kämpfen» bezeichnet sich als «revolutionäres Klimakollektiv» und antistaatlich. Was sind die Gründe und Ziele für diese autonome Organisierung?
Hier in Basel war der Klimastreik von parlamentarischer Politik geprägt. Uns ist es wichtig, eine antistaatliche und antikapitalistische Position sichtbar zu machen und dafür auch eine Organisierungsmöglichkeit zu schaffen. Nichtsdestotrotz sehen wir uns als Teil der Klimabewegung.
Bei unserer Gründung war auch wichtig, dass uns in der Klimabewegung eine strategische Debatte gefehlt hat. Man weiss irgendwie, dass man im Recht ist und es geht darum, „auf allen Ebenen Druck aufzubauen“, wie es dann so schön heisst. Ich verstehe dieses Bedürfnis sehr gut, aber wir hatten trotzdem das Gefühl, dass uns diese Vorstellung nicht wirklich voranbringt. Wir müssen die Umstände verstehen, um um dann auch an den richtigen Orten anzusetzen. Wir sagen, ein revolutionärer Umbruch ist nötig. Sowohl in den bürgerlichen Medien, als auch in Teilen der Klimabewegung heisst es immer, „wir alle“ seien verantwortlich für die Klimakrise und müssten etwas dagegen unternehmen. Wir sagen: „Nein, wir sitzen nicht alle im gleichen Boot. Wir haben nicht alle dieselben Interessen.“ Und aus dieser Analyse entspringen dann auch auch praktische Konsequenzen, eben zum Beispiel, dass wir es als zentral erachten, die Arbeiter:innen – gerade auch dieser fossilen Konzerne – einzubinden, weil wir die Klasse nicht nur als Betroffene der Klimakrise betrachten, sondern als Subjekt einer gesellschaftlichen Transformation.
Auf der anderen Seite finden wir es wichtig, die revolutionäre Perspektive in die Klimabewegung hineinzutragen, sondern umgekehrt auch die Wichtigkeit der ökologischen Frage für die revolutionäre Bewegung betonen. Revolutionäre Linke haben das Thema ziemlich lange vernachlässigt. Es ist unsere Absicht, das zu ändern.
Dass der Kapitalismus für die Klimakrise verantwortlich ist, bestreitet mittlerweile kaum jemand mehr. In der Klimabewegung werden verschiedene Taktiken und Strategien versucht. Es ist eine Herausforderung, sich vorzustellen, wie diese Taktiken und Strategien zu einer wie auch immer gearteten grünen Transformation führen können. Reformistische Teile der Klimabewegung scheinen aber geübter, anschlussfähige und denkbare Wege zu präsentieren. Wie sähe eine revolutionäre Perspektive aus?
Wir haben sicher keinen fertigen Plan. Unsere Kampagne dient auch genau dazu, sich dieser Frage zu nähern. Wir bilden uns intern, organisieren Veranstaltungen, besuchen Genoss:innen im In- und Ausland und tauschen uns über diese Fragen aus.
Gibt es Beispiele, wo eine Verbindung zwischen der Klimabewegung und der Klasse versucht wurde?
Wir waren zum Beispiel in München. Dort sollte ein Autoteile-Werk der Firma Bosch geschlossen werden und die Produktion nach Asien verlagert werden. Die Begründung des Managements war, dass das Werk aus Umweltschutzgründen nicht mehr tragbar sei. Die Arbeiter:innen – es waren mehrere hundert – wollten das natürlich nicht hinnehmen. Sie sagten: „Es stimmt vielleicht, dass wir keine Autoteile mehr brauchen. Aber dann können wir etwas Nützliches für die Gesellschaft produzieren.“ Und so schlugen sie vor, das Werk auf die Produktion von Beatmungsgeräten umzurüsten – die waren damals mitten in der Coronapandemie schliesslich sehr gefragt.
Nice! Aber was hat die Klimabewegung damit zu tun?
Genoss:innen des Klimatreffen München standen mit den Arbeiter:innen in Kontakt und haben sie bei ihrem Vorhaben unterstützt. Sowohl haben sie gemeinsam Forderungen überlegt als auch zusammen Aktionen gemacht. Während den Protesten gegen Internationale Autoausstellung (IAA) 2021 in München demonstrierten auch mehrere hundert Menschen gegen die Schliessung des Werks und zeigten sich solidarisch mit den Arbeiter:innen. Es geht uns natürlich auch darum, die Perspektive einer selbstverwalteten, demokratischen Wirtschaft zu erarbeiten. Wie liesse Ernährungssicherheit gewährleisten, woher kommt die Energie, was bedeutet es, die Gesundheitsversorgung umzugestalten? Mit diesen Fragen müssen wir uns heute schon befassen. Und da wird in der Klimabewegung bereits viel Arbeit reingesteckt. Davon können wir viel lernen.
Basel scheint ein gutes Pflaster für Klimapolitik zu sein. Im Oktober wurde die Klimagerechtigkeitsinitative «Basel 2030» von der Stimmbevölkerung überraschend angenommen. Wie ordnet ihr diesen Erfolg ein?
Wir waren kein Teil von «Basel 2030», insofern ist unser Blick einer von aussen. Ihr Ansatz, in den Quartieren Gruppen zu organisieren und mit Haustürgesprächen Menschen zu überzeugen, ist sehr spannend. Ich würde auch sagen, es ist total wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und die Fragen der Klimakrise im konkreten Alltag zu besprechen. Insofern lässt sich davon bestimmt etwas abschauen.
Ich denke der Erfolg der Initiative ist sicher ein Ausdruck davon, dass sich in Basel sehr viele Menschen für die Klimakrise interessieren. Gleichzeitig ist es auch trügerisch, zu viel Hoffnung auf die parlamentarische Politik zu setzen. Wenn jetzt viele denken «Super, die Initiative wurde angenommen, bis in X Jahren ist Basel klimaneutral» und sich dann zurücklehnen, wäre damit auch nicht viel gewonnen. Deshalb wäre es wichtig, solche Kampagnen mit konkreten Forderungen zu verbinden – etwa ein Gratis-ÖV. Dazu bräuchte es dann sicher auch den Druck von der Strasse.
Es gibt vielerorts Versuche die Klimakrise mit dem sozialen Alltag zu verbinden. Im Rheinland etwa sind einige Aktivist:innen regelmässig zu RWE gegangen, um mit den Arbeiter:innen ins Gespräch zu kommen. Es gibt den scheinbaren Widerspruch, dass der Stopp des Braunkohle-Abbaus die Arbeitsplätze vernichten würde. Aber diese Arbeitsplätze werden in den nächsten Jahren sowieso wegfallen. RWE wird diese Leute dann einfach auf die Strasse stellen, wie das im Kapitalismus halt üblich ist. Arbeiter:innen und die Klimabewegung haben deshalb ein gemeinsames Interesse daran, nach langfristigen Alternativen zu suchen. Und da sollten wir ansetzen.
Auch in Basel gibt es einige Versuche für eine autonome Klassenpolitik von unten. Gruppen wie Kleinbasel Solidarisch oder die Basisgewerkschaft IGA versuchen die Basisorganisierung voranzutreiben. Nach diesem Interview gehen wir an die Demo «Preise runter, Löhne rauf, Reiche zur Kasse». Gibt es Ansätze, Erfahrungen oder Überlegungen, wie sich diese Kämpfe mit dem Klimakampf verbinden lassen?
Als Klimakollektiv beteiligen wir uns aktiv an solchen Kampagnen, etwa gegen Preiserhöhungen und die Energiekrise. Wir diskutieren auch regelmässig, wie wir uns in die Basisarbeit einbringen können. Da lohnt sich wieder der Blick nach Deutschland. Wir haben Genoss:innen aus verschiedenen Städten getroffen, die über die Kämpfe der Belegschaften im öffentlichen Nahverkehr erzählt haben. Im Rahmen von Tarifrunden haben die Gewerkschaften primär Lohnforderungen aufgestellt. Klimaaktivist:innen haben sich daran beteiligt, aber auch weitergehende Forderungen aufgestellt wie etwa, dass der öffentliche Verkehr gratis sein soll. Jetzt gibt es das Ziel, die Kämpfe zusammen zu führen und etwa beim nächsten Klimastreik auch einen Streik bei den Nahverkehrsbetrieben aufzurufen.
Wir müssen aber auch die Grenzen sehen. Es ist schwierig, einfach in Betriebe reinzugehen. Es gibt auch eine starke mediale Hetze gegen die Klimabewegung. Da wird teilweise offen von Gewalt gegen Aktivist:innen phantasiert. Es gibt also sehr viele Vorurteile gegen uns. Das braucht also Zeit. Wir wollen in einem ersten Schritt daran arbeiten, diesen Graben zu überwinden, präsent zu sein und klarzumachen «Hey, wir sind, wir sind auf der gemeinsamen Seite». Die Ausbeutung der Arbeit und die Zerstörung der Natur sind zwei Quellen des Profits.
Demo «Die Klimakrise ist jetzt! Die Verantwortlichen sind hier!», 11.02.2023, 15.00 De-Wette-Park, Basel