Sie trat mit dem Anspruch an, die «Elite» der europäischen Holocaust-Leugner*innen und Neonazis zu vereinen. Doch von der «Europäischen Aktion» ist zumindest in ihrem Ursprungsland Schweiz wenig geblieben. Ihr Gründer, der notorische Negationist Bernhard Schaub, hat sich mittlerweile in der völkisch-spirituellen Siedler-Szene in Mecklenburg-Vorpommern verkrochen.
Noch vor fünf Jahren sorgte das antisemitisch-völkische Netzwerk «Europäische Aktion» (EA) in der Schweiz hin und wieder für Schlagzeilen und lockte auch mal einen ziemlich internationalen Kreis von meist betagteren Neonazis an seine Treffen. So etwa im Jahr 2011. Damals konnte die EA etwas Öffentlichkeit erheischen, weil sie gross angekündigt hatte, «in der Ostschweiz» ein Fest feiern zu wollen und weil es am Tag der vorgesehenen Veranstaltung zu einer antifaschistischen Mobilisierung samt Prügelei und einer Hetzjagd auf Linke durch das Ostschweizer Polizeikonkordat kam. Zwar brachte die EA noch ein paar weitere Aktionen zustande, doch in der Schweiz konnte sie sich nicht etablieren. Das hiesige Terrain erwies sich für diese Organisation als derart unwirtlich, dass ihr Gründer, der sich ganz seinem Projekt gewidmet hatte, sogar ausgewandert ist. Und zwar weit weg. Niedergelassen hat er sich mitten in der mecklenburg-vorpommerschen Pampas; dort wo spirituelle, das Germanentum anbetende Siedlerkolonien gedeihen. In dieser Umgebung fühlt sich der Schweizer mit ausgeprägtem Hang zum Deutschtum offenbar pudelwohl. Doch der Reihe nach…
Applaus von Teheran und einer Sekte
Als die EA im Jahr 2010 auftauchte, war schnell klar, wessen Geistes Kind diese rechtsextreme Neugründung war, die ihrer Anhängerschaft verbot in «amerikanischer Kleidung» aufzumarschieren. Es war der ehemalige Rudolf-Steiner-Lehrer Bernhard Schaub, der wieder einmal eine neonazistische Organisation ins Leben gerufen hatte. Zuvor schon war der umtriebige Schweizer Rechtsextremist an diversen länderübergreifenden Vereinsgründungen beteiligt, so etwa an der «Arbeitsgemeinschaft zur Enttabuisierung der Zeitgeschichte» oder am verbotenen «Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten», dessen Vorsitz er sogar inne hatte.
Bernhard Schaub (l.) an einer NAPO-Demo in Aarau 2005. Bild: Antifa.ch
Als Autor und Vortragsredner tritt Schaub seit Jahren bei neonazistischen Gruppierungen und völkisch-heidnischen Zirkeln auf, zumeist in Deutschland. Doch auch in Teheran war er schon zu Gast. 2006 lud ihn der damalige Staatspräsident Ahmadinedschad zur «International Conference on Review of the Holocaust», wo Schaub endlich einmal ungestraft von der «Lüge von den sechs Millionen vergasten Juden» schwadronieren durfte.
Drei Jahre später jubelten Schaub auch die Anhänger*innen des Appenzeller Sektenpredigers Ivo Sasek zu. Der Neonazi nutzte die einzigartige Möglichkeit, vor dem riesigen Publikum, das während dem «Antizensurkongress» eine ganze St. Galler Olma-Halle füllte, von einer jüdischen Weltverschwörung zu fabulieren. Freilich ist Schaub auch mit der faschistischen Szene der Schweiz gut vernetzt. So war er Mitgründer der «Partei national orientierter Schweizer» (PNOS) und fungierte bis zu seinem Austritt als deren ideologischer Vordenker. 2003 rief er die «Nationale Ausserparlamentarische Aktion» (NAPO) ins Leben, welche zur «Sammelbewegung für den echten nationalen Widerstand in der Schweiz» werden sollte, diesem Anspruch aber nie gerecht wurde und bald wieder verschwand.
Von einer Dachorganisation für Holocaust-Leugner*innen…
Schaubs oft kurzlebige Projekte, die zudem von manchem Neonazi als zu theoretisch, zu «intellektuell» und zu altmodisch wahrgenommen wurden, ramponierten etwas seinen Ruf. So glaubte 2011 kaum jemand, dass die EA an ihrem ersten öffentlich angekündigten Treffen in Diepoldsau (SG) die verschiedenen Fraktionen der neofaschistischen Bewegung – oder in den Worten Schaubs – alle, «die den american way of life samt der pax americana satt haben», zusammenführen könnte. Konnte sie auch nicht. Der Anspruch war zu hoch, der Aufruf zu elitär. Sogar das Tragen von Jeans war verboten, Trachten dagegen erwünscht. Dennoch gelang es der EA immerhin, eine internationale Vernetzung von antisemitisch-völkischen Szenegrössen herzustellen. Auch zeigte sich, dass Schlägertrupps von jüngeren Neonazis (auch solche in Jeans) für den Schutz der EA-Veranstaltung sorgten.
EA-Mitglieder an einer von ihnen angemeldeten Demo in Jena 2015. Die EA-Flagge zeigt ein Kruckenkreuz, wie es der Austrofaschismus der 1930er Jahre verwendete. Foto: Storch Heinar
…zur antisemitisch-völkischen Sammlungsbewegung
In der Folge wuchs die EA über ihre Rolle des Netzwerks von «intellektuellen» Veteranen des Antisemitismus hinaus. Im Jahr 2011 mischten sich EA-Leute unter die Occupy-Protestler in Zürich, es folgten Flyeraktionen gegen Flüchtlingsheime am Bodensee. In Wien tauchte die EA 2014 an einer Demonstration gegen Abtreibungen auf. Und im «Stützpunkt Lichtenstein» machte eine jugendliche EA-Abteilung bald derart Propaganda, dass 2015 rasch neue Gruppen, etwa die «Volkstreue Jugend Fürstentum Lichtenstein», aus dem Boden schossen. Im selben Jahr beteiligte sich die EA gemäss eigener Darstellung an einer JSVP-Konferenz gegen das Antirassismusgesetz. Dort sprach unter anderem der damalige JSVP-Präsident Anian Liebrand, sein Vorgänger Lukas Reimann sowie der Rechtsanwalt Hermann Lei. Die PNOS wiederum hat die EA-Forderung nach der Gründung einer «Europäischen Eidgenossenschaft» längst in ihr Parteiprogramm aufgenommen.
EA-Leute mit Anhänger*innen der Partei «Die Rechte». Bild: Recherche Nord
Ebenso tat es die deutsche Partei «Der III. Weg». Diese mit der EA befreundete Jungpartei setzt sich aus rechtsabweichlerischen Ex-Kadern der NPD und aus Militanten der reihenweise verbotenen «Freien Kameradschaften» zusammen. Die grössere NPD pflegt traditionell ein freundschaftliches Verhältnis zu Schaub und zur EA. Und selbst die terroristische Rechte ist mit an Boot. So ist der EA-Mann Ringo Köhler aus Thüringen Urheber der Solidaritätskampagne für den inhaftierten mutmasslichen NSU-Helfer Ralf Wohlleben.
Von ihrem «Europafest» im September 2015 war die EA denn auch vollends begeistert. Endlich sei ein Grundstein gelegt worden für die «Einstellung aller Grabenkämpfe und die Einigung der Kräfte über Länder, Parteien und Organisationen hinweg, mit dem Ziel, unser Überleben zu sichern.» Auch der deutsche Verfassungsschutz erkannte damals: «Besondere Bedeutung erreicht die EA dadurch, dass unter ihrem organisatorischen und ideologischen Dach Rechtsextremisten mit unterschiedlichen Ausrichtungen zusammenarbeiten.» Doch was ist heute davon geblieben?
Schaub: Rückzug in den privaten braunen Sumpf?
Ein eigenständiger «EA-Stützpunkt» kam in der Schweiz nie zustande. Hier, in Österreich und auch im Fürstentum Lichtenstein beschränkt sich der wahrnehmbare Aktivismus der EA heute maximal noch auf Facebook-Postings. Doch selbst im Internet harzt es. Eigentliche Aktivisten scheint es bloss noch in Thüringen und vereinzelt in Sachsen zu geben. Dass es mit seiner Schöpfung nach einem kurzen Anfangshoch rasch wieder steil bergab ging, dürfte Schaub ziemlich frustriert haben. Und als seiner sozialhilfeabhängigen Lebensgefährtin die Aufenthaltsberechtigung für die Schweiz nicht mehr erteilt wurde, kehrte Schaub seiner Heimat 2014 den Rücken und zog in den Norden. Möglicherweise tragen auch die Antifaschist*innen ein wenig Mitschuld an Schaubs Wegzug. Wie oft diese in der kleinen Schweiz doch schnell zur Stelle waren, wenn der Judenhasser wieder einmal sein Unwesen zu treiben versuchte. Prominent geschehen etwa im Jahr 2003 an einem PNOS-Parteitag im Berner Hinterland. Damals musste Schaub angesichts einer linken Meute Hals über Kopf die Flucht ergreifen, so dass diese sein Auto kapern, durchsuchen und allerhand Propagandamaterial sowie ein Adressbuch mit Hunderten Einträgen sicherstellen konnte.
Solch ärgerliche Begegnungen gibt es im abgelegenen Weiler Annenhof (ca. 70 Einwohner*innen) bei Nossendorf im nordostdeutschen «Meckpomm» sicherlich seltener. In der dortigen ländlichen Abgeschiedenheit haben sich in den letzten Jahren verschiedene völkisch-spirituelle Siedlerprojekte breit gemacht.
Schaub hat sich im Zentrum der völkischen Siedlerbewegung niedergelassen. Karte: Amadeu Antonio Stiftung
Diese «Sippen», so nennen sich die rechtsextremen Familien selbst, streben nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit, betreiben Bio-Höfe und pflegen sogenannt «deutsches Brauchtum». Nennen tun sie sich u.a. «Artamanen», «Ludendorffer» oder «Artgemeinschaft Germanische Glaubensgemeinschaft». Gemein ist ihnen die personelle Verflechtung mit der faschistischen politischen Szene wie auch mit völkisch-nationalistischen Jugendverbänden wie dem «Sturmvogel». Dieser ist eine Nachfolgeorganisation der verbotenen «Heimattreuen Deutschen Jugend» und versucht die historische Hitlerjugend zu imitieren. Bernhard Schaub nahm im Jahr 2015 gemäss Recherchen von blick nach rechts an einem Sommerlager des Sturmvogels teil. Als ehemaliger Lehrer wird er sich unter den Sturmvogel-Führern, die oft einer pädagogischen Ausbildung nachgehen, wohl gefühlt haben. Auch seinen Nachwuchs schickt Schaub in diesen extrem autoritären und quasi klandestinen Verein.
Die Hitlerjugend als Vorbild: Sturmvogel-Sommerlager in Mecklenburg-Vorpommern 2015. Bild: Recherchegruppe AST
Weit weniger öffentlichkeitsscheu zeigte sich Schaub zuletzt in Dresden (siehe Titelbild). Wie jeden Februar zogen dort auch in diesem Jahr Neonazis durch die Strassen, um sich als «Opfer» der alliierten Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zu beweinen. An der kleineren der zwei «Trauerkundgebungen» sprach auch Schaub. Vor den rund hundert Anwesenden frönte er wie gewohnt dem reinsten Antisemitismus und vergötterte das angeblich für Grösseres auserwählte «deutsche Volk», zu dem er auch sich selbst zählt. Angekündigt wurde er von seinem Vorredner als «bekennenden Holocaust-Leugner». Schaub widersprach nicht.
Titelbild: Antifaschistisches Nachrichtenportal Niedersachsen