Zweiter Erster Mai in Zeiten der Seuche

Es war der zweite Erste Mai in der Pandemie. Die Seuche und ihre Verheerungen im Kapitalismus waren denn auch zentrales Thema der Strasse. Und es war einiges los – von St. Gallen bis nach Genf. Ajour war in Basel, Winterthur, Solothurn und Zürich dabei. In Sachen Polizeistaat schoss erneut die Limmatstadt den Vogel ab.

Basel

In Basel versammelten sich um 10 Uhr gegen 1000 Menschen auf dem Messeplatz. Angeführt vom Revolutionären Block lief die Demonstration via Klaraplatz, Mittlere Brücke, Rathaus zum Barfüsserplatz. Auf der Demoroute gab es diverse Aktionen: In Solidarität mit der vor kurzem geräumten ZAD de la colline wurde ein Transparent bei der Mittleren Brücke gehängt. Mit einem grossen Transparent und einer Rede solidarisierte sich die Demonstration mit der Guerilla in Rojava, die sich in letzter Zeit intensiv gegen die türkische Armee (an der Grenze zur Türkei und im irakischen Teil von Kurdistan) sowie verbleibenden IS-Zellen verteidigen muss.

Ein grosser migrantischer Block verlangte lautstark ein Bleiberecht für alle und ging detailliert auf die Situation in den Lagern in der Schweiz ein (mehr Infos zu den Lagern hier).

Eine Rede ging dabei auf die aktuellen Berichte über Gewalt in den Bundeslagern und die Anschuldigungen von Seiten der Lagerbetreiber:innen ein.

Teile der Demonstration zogen vom Barfüsserplatz weiter Richtung Rathaus. Laut Medienberichten ging es von dort Richtung St. Johann Park weiter.

Zürich

Der Morgen begann in Zürich mit verschiedenen gewerkschaftlichen Kundgebungen. Etwa jener am Paradeplatz für einen städtischen Mindestlohn von 23 Franken. Oder jener auf dem Lindenhof, wo sich organisierte Schreiner:innen samt einiger Gewerkschaftsprominenz von Unia, Syna und GBKZ versammelten. Gemeinsam forderten sie bessere Arbeitsbedingungen im Schreinerberuf. Denn die Schreinermeister:innen hatten kürzlich den Gesamtarbeitsvertrag gekündigt. Später führte das Solidaritätskomitee gegen Pandemie und Krise vor dem RAV-Büro an der Lagerstrasse eine Aktion durch. Dies unter dem Motto Arbeitslosigkeit ist kein Selbstverschulden, sondern ein Systemfehler».

Für das «traditionelle, revolutionäre Nachmittagsprogramm» wurde in Zürich aufgerufen, sich um 14 Uhr auf dem Ni-Una-Menos-Platz (Helvetiaplatz) einzufinden. Kurz vor 14 Uhr war der Platz dann – wie bereits bei vorherigen Demonstrationen wie etwa der «Wir tragen eure Krise nicht» – von der Polizei besetzt.

Kurz nach 14 Uhr kam Bewegung ins Spiel. Aus dem Nichts tauchte plötzlich eine Velodemo mit gut 150 Teilnehmer:innen auf, welche um das Kanzleiareal zog. Sofort mischten sich viele weitere Personen zu Fuss in die Demonstration.

Die Polizei reagierte unkoordiniert. Die Velodemo zog weiter durch den Kreis 4 und eine weitere Demonstration mit gut 500 Leuten durch die Langstrasse. Auf der Kreuzung Militär/Langstrasse versuchte die Polizei ein erstes Mal, die Demonstration zu stoppen – mit Gummischroteinsatz, ohne Vorwarnung und ohne Sicherheitsabstand.

Die Demonstration zog sich daraufhin etwas zurück, teilte sich in (mindestens) zwei Teile. Auf der Kernstrasse vereinten sich die Züge wieder und zogen lautstark weiter via Badenerstrasse zum Staufaucher, wo die Polizei begann, die Demonstration langsam zu umzingeln. Mittlerweile waren gut 1000 Leute an der Demonstration im Zürcher Kreis 4 beteiligt. Schon kurz nach dem Demostart flog ein Polizeihubschrauber tief über dem Geschehen.

Die Demonstration versuchte via Rotwandstrasse weiter zu ziehen, dort wurde sie jedoch von der Polizei eingekesselt. Dies geschah wiederum mit Hilfe von Gummischroteinsätzen. Rund um den Kessel zeigten sich viele Leute solidarisch und die Polizei wirkte lange nach der Etablierung des Kessels sehr gehetzt und teilweise unkoordiniert. Die Velodemo und weitere kleine, spontane Demonstrationen zogen weiter durch den Kreis 4. Währenddessen versuchten die Eingekesselten durch den Innenhof des Bezirksgefängnisses auszubrechen. Hierfür wurde ein Tor geknackt, aber unglücklicherweise blieb der Erfolg beim zweiten Tor aus. In einer stundenlangen Prozedur erfasste die Polizei schliesslich die Personalien aller Eingekesselten und sprach Wegweisungen für das gesamte Stadtgebiet aus.

Winterthur

In der Eulachstadt gab es am Morgen einen gewerkschaftlichen Postenlauf mit Verbänden aus der Arbeiterunion Winterthur. Auch die Klimastreik- und die feministische Bewegung waren präsent. Ausserdem hatte das Antikapitalistische Bündnis Winterthur auf 11 Uhr in die Steinberggasse mobilisiert. Circa 500 Personen formierten sich gegen 11.30 Uhr zu einem lauten Demozug. Die Menge bewegte sich zum Bahnhof, wo das Bündnis «Solidarisch aus der Krise» eine Rede zur aktuellen Lage hielt und klar machte: Wir tragen eure Krise nicht! Es folgte eine Rede der Häuservernetzung Winterthur über die selbstorganisierten Stefanini-Häuser, denen Vertreibung und Aufwertung droht. Die Demo bewegte sich weiter am Stadtpark vorbei und zurück in die Steinberggasse, wo sie sich selbstbestimmt auflöste. Die Polizei war früh mit einigen Zivis und einem Dialog-Team vor Ort, was die Demonstrant:innen jedoch nicht aufhielt.

Solothurn

In Solothurn versammelten sich um 13.30 Uhr 300 Personen zur Demonstration. Organisiert hatten die Demonstration basisgewerkschaftliche Gruppen wie das Basiskollektiv der Reinigungskräte Solothurn, die Freie ArbeiterInnen Union FAU und die Industrial Workers of the World IWW zusammen mit dem kurdischen Kulturzentrum, Dem-Kurd und der UNIA-Jugend. Bei Dauerregen zog die Demonstration durch die Innenstadt. Arbeiter:innen aus der Reinigung, der Gastronomie und dem Gesundheitssektor sowie kurdische Aktivist:innen hielten Redebeiträge.